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Wiederholende Forschung

Zu den Begriffsbildungen

Ein vieldiskutiertes und aktuelles Problem in vielen Wissenschaftsdisziplinen ist die Nachvollziehbarkeit von Forschungsarbeiten. Eine Umfrage der naturwissenschaftlichen Fachzeitschrift Nature im Jahre 2016 (Baker 2016) ergab, dass von den rund 1500 Forscherinnen und Forschern über die Hälfte angab, daran gescheitert zu sein, die eigenen Experimente zu reproduzieren. Insgesamt 52% der Befragten nahmen eine „significant 'crisis' of reproducibility“ wahr. Auch in anderen Forschungsfeldern wird von niedrigen Reproduzierbarkeitsquoten berichtet. Der bis zu dem Zeitpunkt größte Versuch, psychologische Studien zu replizieren, kam zu dem Schluss, dass von den 100 untersuchten prominenten Arbeiten nur 39 % eindeutig repliziert werden konnten (Open Science Collaboration 2015). Bei dem Versuch, massgebliche Experimente aus der Krebsgrundlagenforschung, die in «Nature», «Cell», «Science» und weiteren angesehenen Wissenschaftsmagazinen beschrieben wurden, so exakt wie möglich zu wiederholen, fielen bei 54 von 112 die Resultate bei der Wiederholung ungefähr so aus, wie im Originalversuch (Errington et al. 2021). Jedoch bei der Mehrheit der Experimente ließen sich die Ergebnisse nicht bestätigen.

Der Paradigmenwechsel von dominant hermeneutischen hin zu empirischen Methoden stelle auch die (digital arbeitenden) Geisteswissenschaften vor neue Aufgaben, die eigene Anschlussfähigkeit an etablierte Konzepte, Fragestellungen und Erkenntnisziele sicherzustellen (vgl. Schöch 2017).

Bei den mehrdimensionalen Abhängigkeiten, die eine wiederholende Forschung zu ihrer Originalstudie besitzt, sind verschiedene Begriffsbestimmungen in der Forschungsliteratur zu finden. Immer wieder genannt werden: Replikation, Reproduktion und Reanalyse (Gómez et al. 2010, Hüffmeier et al. 2016). Stellvertretend für die konzeptionelle Klärung des Beziehungsgeflechtes zwischen Original und Wiederholung werden nachfolgend drei Aspekte kombiniert:

und die sich daraus ergebende Begriffsbildungen genannt.

Schöch 2017, Abb. 1 Frage Daten Methode
gleich anders gleich anders gleich anders
Replikation
(des Experimentes)
x x x
Reanalyse
(der Daten)
x x x
Reproduktion
(der Ergebnisse)
x x x
Nachfolgeforschung
(zur Fragestellung)
x x x
Reinterpretation
(der Ergebnisse)
x x x
Nachnutzung
(der Daten)
x x x
Nachnutzung
(des Codes)
x x x
N/A
(kein Bezug)
x x x

Diese Form der Typologie beschreibt lediglich die Beziehungen zwischen einer Studie und ihrer Wiederholung und ist nicht dazu gedacht, eine Unterscheidung in rein binärer Weise vorzunehmen, denn Daten oder Methoden werden in den seltensten Fällen komplett identisch oder völlig verschieden sein. Der Begriff Replikation wird in dieser konzeptuellen Gliederung benutzt, die exakte Wiederholung einer Studie zu bezeichnen. Die gleiche Forschungsfrage wird auf gleicher Datenlage mit den gleichen Methoden erneut bearbeitet. Wobei es bei letzterem Aspekt zu leicht abweichenden Analysemethoden und in eine Einteilung in direkte und konzeptionelle Replikation kommen kann:

Von Replizierbarkeit als Forderung wird immer dann gesprochen, wenn in einem quantitativ operierendem, wissenschaftlichen Ansatz bei einer Untersuchung unter den selben Bedingungen und unter Anwendung der derselben Methode auch dieselben Ergebnisse gefunden werden.

Literatur

Anforderungen an die Wiederholbarkeit bei textorientierten digitalen Methoden